Von Martin Jasper
Diesem Turm sieht man nicht an, dass er ein Kunstwerk ist. Elegant silbrig schimmernd, mit schlichter Raffinesse gestylt, vermittelt er eher die Aura nüchterner, kühler, selbstbewusster Sachlichkeit. So gesehen passt der "Turm der Technik" von Gerd Winner genau zum Anlass und zum Ort. Mit dem 385 000 Euro teuren, weitgehend von Stiftungen, Sponsoren und Spendern finanzierten Bauwerk feiert die Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel das 75-jährige Bestehen der Ingenieursausbildung in Wolfenbüttel. Von unten nach oben betrachtet, ergibt sich an jeder Seite der Stele eine Entwicklung von mathematischen Grundlagen über die Naturwissenschaften bis hin zu deren Anwendung in Form von Maschinen, technischen Geräten und Anlagen. Das geht vom Lehrsatz des Pythagoras über magnetische Feldlinien bis zum Turbinenlaufrad, von der archimedischen Spirale über über diverse Schwingungen bis zum Kolbenmotor und zur Leiterplatte. Die Piktogramme, die dies versinnbildlichen, sind mit modernster Laser-Technik ungeheuer präzise in 20 quadratische Außenflächen aus Stahlblech gestanzt. Der Künstler hat eine markante Form gefunden, die trotz aller Wucht leicht wirkt, zeit- und schnörkellos. Winner hat sich voll in den Dienst der Sache gestellt. Sein Turm ist eine Apologie der Technik, der gelungene Versuch, den Logos des Logischen in eine strenge Schönheit zu fassen. Eine subjektive Aussage des Künstlers ist dem Turm schwerlich abzulesen. Winner, der Gottsucher unter den zeitgenössischen Künstlern, hat seit jeher zumeist karge, schlichte, von menschenleerer Sachlichkeit geprägte Werke geschaffen. Aber stets hat er darin die Transzendenz gesucht, Bilder, Augenblicke, Zeichen, die über den Alltag hinausweisen, die den Menschen innehalten lassen. Auch sein "Haus der Stille" in Bergen-Belsen oder seine metallischen Kreuzwege fragen beharrlich und skeptisch nach dem, der dort nicht zu sehen ist. Sein 12 Meter hoher Turm der Technik aber läuft im Logo des Auftraggebers aus. Wenn es dunkel wird, entfaltet der Turm ein spielerisches Innenleben: Dünne Leuchtröhren in verschiedenen Farben versetzen die spröde neue Welt der Technik in eine filigrane Heiterkeit. Da ist er dann doch, der emotionale Funke. Morgen um 11 Uhr wird der Turm im Beisein des Künstlers eingeweiht (Haupteingang, Salzdahlumer Straße). |